Die alte Klosterbibliothek

Die Bedeutung des Schreibens bei den Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation

Foto: Walter Lautwein

Bei den Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation, zu denen auch das Kloster Eber­hards­klausen gehörte, handelt es sich um einen Ordenszweig, der gegen Ende des 14. Jahrhunderts aus der niederländischen Reformbewegung der ‚Devotio moderna‘ hervorging.

Als eine der Techniken, die zu einer erneuerten Frömmigkeit führen sollte, spielte das Studium und das Abschreiben geist­licher Bücher, vor allem der Schriften der Bibel und der Kirchen­väter sowie erbaulicher Texte und Heiligenviten eine große Rolle, während gleichzeitig vom Studium allzu schwieriger philosophisch-theologischer Werke abgeraten wurde.

In den Ordensstatuten der Windesheimer findet sich daher die Vorschrift, dass jeder Chorherr täglich vier bis fünf Stunden mit Schreibarbeiten auf seiner Klosterzelle verbringen sollte. Das Kopieren dieser Texte wurde als Meditationsübung zur geistlichen Erbauung des Schreibers verstanden und führte gleichzeitig zum Aufbau umfassender Bibliotheken. Ein weiterer Bereich der Schriftlichkeit, der für die ersten Einrichtungen der Devotio moderna im 14. Jahrhunderts besonders charakteristisch war, das Schreiben von Büchern zum Verkauf, nahm bei den Eberhardsklausener Chorherren dagegen keinen großen Raum ein.

Dennoch war vor allem das Abschreiben von Büchern zum eigenen Gebrauch für die Klausener Chor­herren von großer Bedeutung und so entstanden bereits im Jahr 1463, also sieben Jahre nach der Gründung des Kloster, die ersten beiden Handschriften. Besonders in den Jahrzehnten von 1463 bis ca. 1500 stand die dortige Schreibkultur in voller Blüte. Mit dem beginnenden 16. Jahrhundert ging die Zahl der im Kloster selbst ab­ge­schriebenen Werke allerdings zurück, während die Anzahl der gekauften Drucke kontinuierlich anstieg.

Beliebte Autoren und Sachgruppen

Foto: Walter Lautwein

Zu den am häufigsten im Klausener Konvent abgeschriebenen und gesammelten Autoren gehörte an erster Stelle der Kirchenvater Augustinus (354–430), gefolgt vom Zisterzienser Bern­hard von Clairvaux (1090–1153), dem Franziskaner Bonaventura (1217/21–1274), dem Pariser Theologen Johannes Gerson (1363–1429) und schließlich dem Dominikaner Thomas von Aquin (1224/25–1274), während von den Autoren der Devotio moderna vor allem Thomas von Kem­pen (1379–1471) gesammelt wurde. Mit Ausnahme von Bonaventura wurden alle genannten Autoren auch an den Wänden des Klausener Bibliotheksraumes verewigt.

Was die Sachgruppen betrifft, so erfreuten sich vor allem die Schriften der Kirchenväter, die Predigtsammlungen, die Heiligen­viten und die Erbauungsliteratur größter Beliebtheit, mit einem gewissen Abstand folgten dann juristische und historische Werke, während scholastische Traktate oder Fach­literatur kaum eine Rolle spielten.

Unter den Klausener Chorherren lassen sich auch einige Kanoniker ausmachen, die selbst Texte verfassten, welche allerdings außer­halb der Klausener Klostermauern kaum Resonanz fanden. Hierzu zählt z. B. der dritte Prior des Klosters, Bert­hold von Marsberg (ca. 1443–1473/4), von dem noch ein Brieftraktat über das rechte Klosterleben er­halten ist, sowie vor allem Wilhelm von Bernkastel († 1536), der neben der Klosterchronik von Eberhardsklausen mit über 750 Marienmirakeln noch mindestens 5–6 Exzerpt- bzw. Predigtmaterial­sammlungen hinterließ.

Zusätz­lich wurden der Gemeinschaft viele Bücher gestiftet, so dass sich die dortige Kloster­biblio­thek bis zum 18. Jahrhundert beständig vergrößerte. Noch heute lassen sich ca. 221 Handschrif­ten und ungefähr 214 vor 1500 entstandene Frühdrucke (Inkunabeln) sowie eine Vielzahl weiterer Druckwerke aus dem ehemaligen Klosterbesitz nachweisen. Die Bibliothek von Eberhardsklausen zählte somit sicherlich zu den größeren Büchersammlungen im gesamten Erzstift Trier.

Das Ende der alten Klosterbibliothek

Nach dem das Augustiner-Chorherrenkloster Eberhardsklausen im Jahre 1802 geschlossen wurde, gelangten die meisten Handschriften und Drucke bis 1804 in die spätere Stadtbib­lio­thek Trier, in der sie heute noch zum größten Teil aufbewahrt werden. Ungefähr 50 Bücher wurden aller­dings im März 1803 für die Nationalbibliothek in Paris beschlagnahmt. Nach dem Ende Napoleons im Jahre 1815 und der Gründung der preußischen Rheinprovinz wurden viele dieser Bücher zurückgefordert und der neuen Uni­ver­sitätsbibliothek in Bonn bzw. der Staats­bib­liothek in Berlin zugesprochen. Einzelne Bücher aus dem ehemaligen Bestand lassen sich darüber hinaus heute noch in vielen Biblio­theken weltweit nachweisen, u. a. in Berkeley (Kalifornien), Darmstadt, London, Nürnberg, Paris und Stuttgart.

Literatur (Auswahl):

Beier (2007); Brösch (2010a); Bushey (1996); Dohms (1968), S. 74–89; Dohms (1985), S. 47–52; Embach (2013); Heydeck / Staccioli (2007); Nolden (2008); Nolden (2015); Schiel (21985).

Zur Literatur

Text: Marco Brösch